Beiträge von kim88 im Thema „Fairphone nach 7 Jahren am Ende“

    Das in der Marktwirtschaft viel Bullshit erzählt wird ist klar. Da ich in der Werbung arbeite, weiss das kaum jemand so gut wie ich.

    Wir haben mal für eine Joghurtmarke eine mega Kampagne gemacht. "Neue Rezeptur 30% weniger Zucker", mit Plakaten, TV Werbung, Social Media Werbung, Werbung in Zeitungen, "gekauften" Artikel bzw. sogenannte Promotionen in Zeitungen usw.

    Gelogen war das nicht, die neue Rezeptur hatte wirklich 30% weniger Zucker. Was aber niemand erzählt hat, war dass das Produkt von allen gängigen Joghurts in den Supermärkten immer noch das mit am meisten zusätzlichem Zucker war - selbst mit der 30% Reduktion 😅

    Bei Fairphone glaube ich ihr Marketing allerdings. Weil es sehr ehrlich ist. Sie sagen nicht "wir haben faire Materialien" sondern sagen unser Smartphone ist noch nicht "fair" - gerade bei sehr vielen Materialien ist das schlciht nicht möglich, weil man den Zulieferer nicht kontrollieren kann oder es keine Kontrollmechanismen für gewisse Rohstoffe gibt und man nicht herausfinden kann aus was für Minen das Zeug kommt und ob dort Kinder arbeiten oder sowas wie Arbeitsschutz überhaupt existiert.

    Es gibt oft auch Kompromisse, die etwas fair und gleichzeitig "unfair" machen. Das Fairphone 4 ist ja ein modulares Fairphone. Das bedeutet, wenn Display, Kamera, USB Anschluss oder halt irgendwas kaputt ist kann jeder das selber tauschen (Schraubenzieher und Anleitung liegt dem Gerät bei).

    Das hat einen fairen Vorteil, man muss kein neues Gerät kaufen wenn was kaputt ist - und kann sogar Komponenten Upgraden (Beim Fairphone3, konnte man z.b. die Kamera nach ein paar Jahren upgraden (einfach neues Modul) und hatte dann bessere Kamera ohne sich ein neues Gerät kaufen zu müssen).

    Diese Modularitöt hat aber auch Nachteile. Diese Modulbauweise braucht 17% mehr Edelmetalle (für die Steckverbindungen) als wenn man die Module fest verlöten würde. Und hier ist halt die Frage was ist am Ende sinnvoller.

    Fairphone hat nicht den Anspruch fair zu sein, sondern so fair wie möglich. Und neue Wege zu schaffen dass Dinge fair werden.

    Das heisst sie kaufen dort wo es möglich ist faires Material und Rohstoffe ein wo es möglich ist. Und schliessen sich möglichst an Projekte an, die vor Ort für fairere Abbau einsetzen.

    Bei den Arbeitsbedienungen ist es ebenfalls kompliziert. Sie haben in ganz China kein einziges Unternehmen gefunden. Das wirklich "fair" produziert. Was sie aber gefunden haben ist ein Unternehmen, dass wenigstens gewisse Mindesstandards bei Arbeitszeit und Arbeitsschutz anbietet.

    Aber die Bezahlung ist nicht fair. Und sie konnten dem Unternehmen auch nicht diktieren, dass sie nun die Löhne erhöhen sollen.

    Sie konnten aber mit dem Fairphone 4 ein Pilotprojekt starten. Pro gebautes Fairphone bezahlt Fairphone den Arbeitern einen Bonus von 1.50 Euro Dadurch hat ein Arbeiter der ein Fairphone produziert einen Lohn von rund 5'000 Yuan (entspricht etwa 650 Euro).

    Der Mindestlohn ist dort bei 2020 Yuan, Diverse NGOs sagen, dass man mit 3875 Yuan existenzsichernd Leben kann.

    Natürlich ist das nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Aber es entkräftet Argumente von z.b. Apple, die sagen wenn wir mehr pro gefertigtem iPhone an Foxconn zahlen landet das Geld nur in der Geschäftsleitung und nicht bei den Arbeitern. Und eigentlich ist es lächerlich, dass wir nur 1.50 Euro mehr für unsere Smartphones bezahlen müssten, damit wenigsten die chinesischen Arbeiter einen existenzsicherenden Lohn haben würden - ist jetzt wirklich nicht viel Geld.

    Der Punkt warum ich bei Fairphone dem Marketing vertraue?

    All diese Informationen, und noch viele weitere und auch detailiert über die einzelnen Rohstoffe, etc wurden nicht von irgendwelchen Investigativ-Journalisten herausgefunden sondern werden offen und transparent auf der Fairphone Webseite und ihren öffentlichen Berichten beschrieben.

    Daher nur weil eine Joghurtmarke, ein unehrliches Marketing macht - bedeutet das noch lange nicht, dass das alle Firmen machen (und auch das weiss ich weil ich in der Werbung arbeiten - wir machen sehr oft auch für Firmen Werbung die sehr ehrliches Marketing betreiben).

    Die Nachhaltigkeit kommt ja nicht nur durch die 7 Jahre Laufzeit, sondern auch durch die Materialien die zumindest teilweise "fair" sind (Die Fairphone Webseite listet da sehr Transparent).

    Und das Fair kommt ja auch in bei den Arbeitsbedingungen. Der Chinese der dein Fairphone zusammengeschraubt hat, hat mehr Geld dafür bekommen, als der andere Chinese der dein iPhone zusammengeschraubt hat.