Warum brauchen wir Privatsphäre?

  • Hallo,

    eine ziemlich grundlegende Frage beschäftigt mich schon seit geraumer Zeit: Warum brauchen wir Privatsphäre?

    Warum Privatsphäre vor der Gesellschaft wichtig ist, ist für mich nachvollziehbar – bei mangelnder Privatsphäre könnte der Ruf von einem ruiniert werden. Es muss nicht jeder den eigenen Suchverlauf sehen.

    Wie sieht es aber mit großen Firmen wie Google und Facebook aus? Diese Firmen können zwar die ganze Identität mitsamt Meinungen, Hobbys, Beziehungen etc. von einem kennen, allerdings geben sie diese nicht an die Personen, welche einem nahe stehen weiter.

    Mir ist durchaus bewusst, dass man sich dadurch, das eine Firma die eigene Identität kennt manipulierbar macht. Beispielsweise erhält man Anzeigen von Google, von Produkten, welche man nicht braucht, aber glaubt zu brauchen. Dies würde mir als Argument für Datenschutz vor Firmen aber nicht ausreichen, schließlich benutze ich einen Adblocker und kaufe nicht auf Amazon oder ähnlichen Plattformen ein.

    Könnt ihr mir da weiterhelfen? Ich bin kein Datenschutzgegner, im Gegenteil. Ich möchte nur mehr lernen.

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    Manjaro - i3wm

  • Wie sieht es aber mit großen Firmen wie Google und Facebook aus? Diese Firmen können zwar die ganze Identität mitsamt Meinungen, Hobbys, Beziehungen etc. von einem kennen, allerdings geben sie diese nicht an die Personen, welche einem nahe stehen weiter.

    Reicht es nicht das die Informationen kaufbar sind für andere Firmen?

    z.B. kaufst du bei Amazon viel Schokolade, diese Daten bekommen deine Lebensversicherung und stuft dich dann hoch oder kündigt dich.

    Und wenn die leute die dir nahe stehen genug geld zahlen bekommen auch die diese Daten.

    Stell dir einfach die frage, was kann mit meinen Daten alles gemacht werden, wenn xy das erhält. Dabei stellt sich aber eher nicht die frage wenn es jemand erhält sondern wann.

    Klar aktuell tun die die Daten nicht weh, aber das kann sich schnell ändern; ein tolles beispiel ist folgendes hier: https://www.heise.de/ct/ausgabe/201…en-2755486.html

    Außerdem stellt sich mir die Frage: Warum stört es dich nur wen die leute aus deiner Umgebung etwas über dich wissen und beim rest der Welt nicht?

    Edward Snowden hat es schön gesagt:

    Zu argumentieren, dass Sie keine Privatsphäre brauchen, weil Sie nichts zu verbergen haben, ist so, als würden Sie sagen, dass Sie keine Meinungsfreiheit brauchen, weil Sie nichts zu sagen haben

    Schau dir zu dem Thema auch mal folgendes an: https://madetomeasure.online/de/

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    System: TUXEDO Aura 15 - Gen1, AMD Ryzen 7 4700U, 32GB RAM, 1TB M.2 SATAIII, EndeavourOS(Gnome[Wayland])

  • Schau dir zu dem Thema auch mal folgendes an: https://madetomeasure.online/de/

    Das ist ein sehr interessantes Projekt (mit z.T. erschreckenden Erkenntnissen)!

    Eine weitere aktuelle Empfehlung zu dem Thema (ich selbst habe es noch nicht gesehen): https://www.arte.tv/de/videos/100750-000-A/unterm-radar/

    "Ob Cyberkriminielle, Onlineriesen oder Nachrichtendienste – sie alle machen Jagd auf die personenbezogenen Daten der Nutzerinnen und Nutzer. Denn die Kontrolle über diese Informationen ist im 21. Jahrhundert ein wichtiges Machtinstrument. Die Doku stellt anhand konkreter Fallbeispiele Lösungsmöglichkeiten zum Schutz der Privatsphäre im Internet vor."

  • Eine weitere aktuelle Empfehlung zu dem Thema (ich selbst habe es noch nicht gesehen): https://www.arte.tv/de/videos/100750-000-A/unterm-radar/

    Habe ich gerade angeschaut, find ich ganz interessant.

    Die Beleuchtung des Umstieg auf Mobilizon finde ich toll beleuchtet. Genau aus den Gründen biete ich die ganzen Dienste an, wäre noch toll wenn das die P&P Gemeinde so sehen würde. Allein das für die ganzen Conventions immer noch Facebook und so nen mist verwendet ist einfach nur traurig.

    Wäre einfach toll wenn daraus auch so ne Kampagne entstehen würde.

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  • Danke für die Antworten!

    Made to Measure fand ich sehr interessant, sogleich erschreckend. Ein sehr gelungener Film! Was ich mich jetzt noch frage:

    Und wenn die leute die dir nahe stehen genug geld zahlen bekommen auch die diese Daten.

    Passiert das tatsächlich? Sind da Beispiele bekannt? Ich fände es schon SEHR beunruhigend, wenn jemand meine Identität kaufen kann.

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    Manjaro - i3wm

  • Passiert das tatsächlich? Sind da Beispiele bekannt? Ich fände es schon SEHR beunruhigend, wenn jemand meine Identität kaufen kann.

    Mir sind jetzt keine Fälle bekannt. Aber Made to Measure hat es ja auch ganz gut geschafft eine Person zu kopieren.

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  • Wir sind einfach unglaublich privilegiert. Das Glück haben nicht viele. Man sollte nicht nur egoistisch sein und sagen, dass man selbst nichts zu verbergen hat. Das ist als wäre der Welthunger egal, weil man selbst ja gerade satt ist. Oder Redefreiheit nicht wichtig, weil man gerade nichts zu sagen hat.

    Was ist, wenn ein Land wie Russland oder die Emirate plötzlich von Google oder Apple oder den Providern wissen wollen, welche Männer sich homosexuellen Content ansehen oder wer laut profiling homosexuell ist? Dann kann es denen an den Kragen gehen.

    Was ist wenn Diktatoren und totalitäre Regime von Firmen verlangen, dass diese Informationen über Gegner besagter Regimes herausgeben und diese dann in Lebensgefahr sind?

    Es gibt Länder in denen es eben keine Meinungsfreiheit/Redefreiheit, Pressefreiheit, usw gibt. Und da könnten diese Informationen zu Problemen führen.

    Ein Einsatz für Privatsphäre ist also immer auch ein Einsatz für Menschen denen es nicht so gut geht wie uns. Daten über dich werden dann zum Problem, wenn sie in die falschen Hände geraten.

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    EndeavourOS <3

  • Viele Informationen für sich genommen mögen unbedeutend sein und lassen den einen oder anderen zu der Aussage verleiten: "Ich habe doch nichts zu verbergen".

    Ich sehe aber eine große Gefahr in der Verknüpfung und Aggregation dieser Einzelinformationen. Und Firmen wie Alphabet, Meta, Microsoft, Apple usw. arbeiten massiv daran. Und auch staatliche Institutionen genehmigen sich immer mehr Einblicke in unser Privatleben.

    Wir geben mitlerweile so viele Dinge (un)freiwillig preis, für jede Einzelne wäre man vor 20-30 Jahren protestieren gegangen.

    • Bewegungsprofil (GPS)
    • Überwachung unserer gesamten Kommunikation (Mail, Messenger)
    • Kaufverhalten (Apple/Google Pay, Payback...)
    • Surfverhalten
    • Hör- und Sehgewohnheiten (Streamingdienste)
    • Private Daten in der Cloud (Termine, Kontakte, Fotos, Office in der Cloud)
    • Smarthome mit Cloudanbindung
    • ...und alle anderen Dinge, die ich jetzt nicht erwähnt habe

    Und wenn diese ganzen Daten in die falsche Hände geraten...

    Einmal editiert, zuletzt von Sojan (25. November 2021 um 06:42)

  • Vielen großen Dank für die Antworten! Ich glaube nun endlich ein wichtiges Thema verstehen zu können.

    Was ich persönlich daraus als Fazit ziehe:

    1. In dem Fall, dass man von einem korrupten Land lebt oder anderweitig verfolgt wird, ist Datenschutz wichtig, damit man seinen Gegnern gar nicht erst die Chance gibt, genaue Informationen über einen zu erfahren.
    2. Wenn man nicht verfolgt wird, kann man aus Solidarität mit verfolgten Menschen auf Datenschutz achten. Dadurch unterstützt man keine Firmen wie Google und Meta, welche Beihilfe bei der Verfolgung von Personen leisten.
    3. Auch wenn man nicht verfolgt wird, kann es immer dazu kommen, z.B durch einen Staat, der auch Aktivisten von außerhalb verfolgt, oder auch wenn sich die Lage im eigenen Land ändert. Mir fällt hierzu ein Beispiel ein:
    Spoiler anzeigen

    Im Jahr 1850 beginnt Amsterdam systematisch Daten über seine Einwohner zu sammeln, um die Stadtplanung zu optimieren. Dazu gehört unter anderem die Religion. 1940 marschieren Nazis in Amsterdam ein und bekommen den Bevölkerungsregister in die Hand. Folge: Die meisten Amsterdamer Juden werden deportiert. Von den 80 000 überleben nur 10 000 jüdische Amsterdamer den Krieg.

    Habe ich das so richtig verstanden, oder gibt es noch zusätzliche Argumente?

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    Manjaro - i3wm

  • Allgemein werden deine Daten auch dazu genutzt um Klassen zu bilden. Nutzer XY macht jeden sonntag das, 400 andere Nutzer verhalten sich genauso und machen auch noch YX, also macht das auch der erste Nutzer.

    Ist zwar für manche die es z.B. toll finden Personalisierte Werbung zu bekommen schön, aber es schadet am ende der Gesellschaft weil das einfach Schubladendenken ist und das einfach in einem riesigen Umfang.

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  • Spoiler anzeigen

    Habe ich das so richtig verstanden, oder gibt es noch zusätzliche Argumente?

    Vielleicht noch eine Anmerkung, so eine Liste von zu verfolgenden Menschen geht heute viel einfacher und schneller zu erstellen und wird bestimmt auch angewendet. Beispiel wäre, alle Teilnehmer einer Demonstration per Mobilfunkeinwahl auflisten, Möglich wäre es auch das in naher Zukunft alle Menschen ermittelt werden die nicht freiwillig eine bestimmte Art von Medizin konsumieren wollen.

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  • Probleme, die vielleicht nicht so groß, aber dennoch auch bei uns vorhanden sind, gibt es ja auch schon.

    Du bestellst etwas in einem Shop und eine Wirtschafsauskunftsdingens analysiert dann die Daten. Dabei werden dann aber auch die Daten der Menschen in deiner Nähe verwendet. Wohnst du in einer Straße mit vielen Schuldnern? Dann ist Kauf auf Rechnung vielleicht auch für dich nicht mehr möglich. Arbeitest du bei einem Arbeitgeber dessen Mitarbeiter vielleicht eher wenig verdienen? Dann haben sie vielleicht Daten von anderen Kunden, die den selben Arbeitgeber haben.

    Versicherungen bieten mittlerweile an, dass man einen GPS in deinem Auto verwendet und deine Prämie dadurch geringer ist. Man kann diese Daten dann aber auch für alle möglichen Dinge verwenden. Das macht man bei Daten vom Smartphone ja jetzt schon. Du bist zufällig in der Woche mehrmals an der selben Stelle gewesen. Plötzlich passiert dann dort etwas. Die Behörden schauen sich dann an, wer da im besagten Zeitraum oder die Tage zuvor regelmäßig gewesen ist und schon gerätst du ins Fadenkreuz der Ermittlungen.

    Oder die tollen Listen in Restaurants während der ersten oder zweiten Welle. Wenn du bei McDonalds oder in einer Bar gewesen bist, musstest du dich in diese Liste eintragen. Das haben Behörden wie Polizei und Co gnadenlos ausgenutzt. Wenn die etwas bzw jemanden gesucht haben, haben die sich in den Lokalen die Listen einfach angeeignet und kopiert. Die Leute haben dann teilweise Besuch erhalten oder Anrufe/Vorladungen, obwohl sie vollkommen unschuldig und unbeteiligt waren. Was ist dann passiert? Niemand hat mehr seine richtigen Daten angegeben und plötzlich waren überall nur noch Erika Mustermann und Jürgen Meier zum essen und wenn es einen Ausbruch gab, konnte man die Kontakte nicht mehr nachvollziehen, da niemand seine echten Daten angegeben hat. Hätte man diese Listen nicht missbraucht, hätte das also eventuell zur Eindämmung beigetragen.

    Dann gab es Fälle, in denen Menschen zu Unrecht einer Straftat beschuldigt wurden, weil mehrere Suchbegriffe unterschiedlicher Menschen im Haushalt kombiniert halt ein komisches Profil ergaben. Also der eine googelt vielleicht wegen eines Computerspiels nach "Bombe" oder so und eine ganz andere Person im Haushalt sucht nach "Brandstifter", weil es in den letzten Wochen dreimal gebrannt hat. Schon ist man unschuldig ins Raster geraten. Das sind jetzt auch keine Horrorgeschichten. Das ist tatsächlich mehrfach passiert.

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  • Mir fällt gerade noch Apple ein. Die wollen ja künftig die iPhones scannen. Also die Fotos. Um zu schauen, ob da Kinderpornographie oder ähnliches drauf ist. Wie genau soll das bitte laufen? Alle Ergebnisse werden dann an wen gemeldet?

    Was ist mit Bildern deiner eigenen Kinder? Jeder hat doch sicher schon Bilder gemacht, wenn das eigene Kind das erste mal in der Wanne planscht. Oder im Sommer im Garten nackig durchs Gras flitzt. Wie will Apple das nun verifizieren? Werden da die Bilder meiner Kinder an einen Mitarbeiter gesendet? Wer sagt mir, dass der nicht selbst pädophil ist und sich an meinen Fotos dann..

    Jetzt werden hier sicher einige sagen "ne ne.. Moment! Da wird gar nichts gesendet. Das Gerät gleicht nur Hashs von Bildern mit einer Liste ab". Okay.. und dann? Wenn es dann ein positiv gibt. Was geschieht dann? Die ganze Funktion nutzt ja nur was, wenn dann auch etwas geschieht. Es werden dann vermutlich die Behörden informiert.

    Macht es nun Sinn, bei einem Fund in Deutschland das FBI zu informieren? Eher nicht. Also werden wohl die Behörden des jeweiligen Landes informiert. Demzufolge haben die dann sicher auch Zugriff auf die Listen. Was ist nun, wenn z.B. in Russland die Behörden einfach Fotos von regierungskritischen Demonstrationen auf die Liste setzen? Dann schlägt dein iPhone Alarm, wenn du auf einer solchen Demo warst und Fotos dort gemacht hast.

    Was ist, wenn jemand im Internet ein Bild veröffentlicht und man den Urheber finden will? Bild auf die Liste und Apple übernimmt den Rest,

    Viele sagen "mir egal, ich habe ja nichts mit Kinderpornografie am Hut". Das hoffe ich natürlich. Aber das schützt halt nicht davor, dass diese technischen Möglichkeiten dann für andere Dinge missbraucht werden.

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