Erfahrungsbericht: Mein Wechsel vom iPhone zu Graphene OS - Einleitung

  • Dieser Artikel bildet die Einleitung einer Reihe von Artikeln, in der ich Euch auf meine Reise von meinem geliebten Apple iPhone zu GrapheneOS auf ein Google Pixel 7a mitnehme. Sobald ich weitere Artikel der Reihe veröffentliche, werde ich diese Artikel weiter unten verlinken.

    Zum Zeitpunkt dieses Artikels (ich schreibe diesen Artikel am 26.05.2023), weiß ich noch nicht, ob das Ziel der Reise ein Happy End sein wird oder ein langer, steiniger, beschwerlicher Weg oder ob ich auf halber Strecke aufgeben und umkehren werde.

    Ich bin mir bewusst, dass sich mit dem Wechsel des Betriebssystems und dem rigorosen Privacy-Ansatz von GrapheneOS sehr viel für mich ändern wird und dass ich mein bisheriges Verhalten an einigen Stellen überdenken und ändern werden muss. Das kann und wird wahrscheinlich auch für mich bedeuten, einige Komfortfunktionen aus historischer Bequemlichkeit auf dem Altar der Privatssphäre opfern zu müssen.

    • Auf der eine Seite bin ich überzeugt, dass Privacy immer vor Bequemlichkeit stehen sollte und freue mich darauf, die Sache durchzuziehen.
    • Auf der anderen Seite habe ich Befürchtungen, dass sich einige Verhaltensmuster so fest in meinen Alltag eingeschlichen haben, dass es mir extrem schwer fallen wird, auf manche Funktionen und Lösungen, die für mich optimal waren, verzichten zu können und ich am Ende genervt aufgeben werde.

    Doch egal, was zuerst eintreten wird, habe ich mir vorgenommen, die Stationen meiner Reise, die Probleme und Erfolge und so objektiv es mir möglich ist, zu dokumentieren. Wenn ich Grund zu Kritik an GrapheneOS finde, werde ich sie auch ausüben. Kritik kann qua Definition immer nur subjektiv sein.

    Und weil eine gemeinsame Reise mehr Spaß macht, als ganz alleine unterwegs zu sein, lade ich Euch dazu ein, mich zu begleiten.

    Eigene Erfahrungen und Eure Tipps auf den einzelenen Stationen nehme ich gerne auf. :)

    Artikelübersicht

    Wie alles begann

    In dem Forenthread "Kann (für mich) GrapheneOS eine echte Alternative zu iOS sein?" vom 17.04.2023 habe ich mir und dem Forum die Frage gestellt, die jeden Besitzer eines Smartphones irgendwann ereilt. Ein Smartphone geht irgendwann entweder den Weg alles Irdischen, erhält vom Hersteller keine Sicherheitsupdates mehr oder ist schlicht irgendwann so technisch so limitiert, dass moderne Apps nicht mehr gescheit oder überhaupt nicht mehr laufen. Dieser Zeitpunkt ereilt mich dieses Jahr. Mein iPhone ist mittlerweile 5 Jahre alt geworden und läuft für meine Anforderungen eigentlich noch gut. Im Herbst wird es jedoch allen Anzeichen voraus aus dem Support durch Apple laufen. Zusätzlich ist der Akku ziemlich am Ende und das Gerät schaltet sich zu den ungünstigsten Zeitpunkten gerne mal ab. Für 99 Euro könnte ich den Akku bei Apple tauschen lassen, doch löst das nicht mein Problem des "End of Life" meines iPhones.

    Es läuft also auf etwas neues hinaus.

    Meine Smartphone-Historie ist nicht lang, aber divers. Mein erstes (privates) Smartphone war ein Samsung Galaxy S2, das ich noch lange über seinen Support hinaus mit CyanogenMod betrieben hatte. Leider hatte irgendwann das Funkmodul des Phones einen kapitalen Defekt und es ging kein Mobilfunk, WLAN oder Bluetooth. Danach hatte ich mir privat ein Sony Xperia Z3 zuegelegt und nach dessen Garantie habe ich darauf LineageOS mit der GSuite installiert. Das Gerät gibt es heute noch. Ich habe es in der Familie verschenkt. Android ist mir also nicht gänzlich unbekannt, wennauch ich schon lange nicht mehr mit Android gearbeitet habe.

    Zu meinem ersten iPhone (damals noch ein abgelegtes iPhone 6S meines Chefs) kam ich über meinen Arbeitgeber. Früher bekamen wir von der Firma Blackberries bereitgestellt (mein erster BB war ein Bold 9980 und später dann ein Blackberry Q10). Nachdem Blackberry pleite ging, schwenkte unsere Firma auf Apple um. Und so kam ich an mein erstes und später mein zweites iPhone. Dank DualSIM und über MDM abgeschottete Unternehmensapps, dürfen wir diese Firmentelefone auch privat benutzen. Seit dem iPhone musste ich nicht mehr mit zwei Telefonen herumlaufen. Ich brauchte seitdem auch kein privates Gerät mehr. Das hat seine Vor- und Nachteile. Im Moment überwiegen die Nachteile, weshalb ich vom Firmentelefon weg möchte und mittelfristig wieder ein alleinig MIR gehörendes Telefon besitzen will.

    Nach 8 Jahren intensiver iOS Nutzung habe ich dieses Betriebssystem lieben gelernt. Man kann von Apple und dem "goldenen Käfig", "walled Garden" etc. halten was man möchte und dieses Konzept auch berechtigt kritisieren. Doch im direkten Vergleich von iOS zu dem Android von Zeiten zu Android 4.4 bis Android 6 (die Zeit, in der ich Erfahrungen mit Android sammeln konnte), war iOS in Design, Usability und Koheränz in meiner Nutzung Android meilenweit voraus.

    Ich vergleiche iOS gerne mit dem Gnome Desktop aus der Linuxwelt. Das System ist sehr minimalistisch gehalten. Durch ein konsequentes Designparadigma wirken Apps und "OS" wie aus einem Guss und erlaubt nur wenige Möglichkeiten von persönlichen Anpassungen oder Theming.

    Souveräne Individualisten mag so ein Konzept abschrecken. Solche User wollen die volle Freiheit wie z.B. bei einem KDE Desktop. Und diese Vielfalt ist auch gut so, auch wenn sie dazu tendiert, dass es viele verschiedene Einstellungsdialoge gibt, anstatt einer zentralen Stelle. Android war für mich immer so ein System.

    Die scheinbar grenzenlose Freiheit hat mich manchmal einfach nur genervt. Irgendeine Einstellung im dritten Untermenü einer App-Einstellung zu finden, anstatt unter den Systemeinstellungen, wirkt auf mich unausgegoren und "frickelig". Bei Android 4.4 hatte ich dieses Erlebnis z.B. mit VPN Profil-Einstellungen gehabt. Die gab es einmal unter den Systemeinstellungen und dann noch unter der installierten App "VpnCilla". Bis ich das benötigte Setting gefunden hatte, war ich nur noch genervt. Ich mag es "straight forward" und minimalistisch. Und so sehr man auch Apple kritisieren kann (und glaubt mir, ich bin wahrlich kein Apple-Jünger) - in dieser Disziplin sind ihre Systeme herausragend. Das Ding kann nur wenige Sachen - aber diese dafür perfekt. Das mag jeder für sich selbst anders bewerten. Ich bin ein Fan von solchen Designkonzepten. Wahrscheinlich mag ich deswegen auch den Gnome Desktop. Aber "chacun ses goûts" - jeder nach seinem Geschmack. ;)

    Warum bleibe ich also nicht bei Apple und kaufe mir ein iPhone?

    Darauf gibt es zwei Antworten:

    1) Der Preis. Ich bin nicht bereit, für das aktuelle Mittelklassemodell 1000 Euro zu bezahlen. Meine persönliche Schmerzgrenze liegt bei maximal 500 Euro für ein Smartphone. Ein aktuelles Modell ist aber wichtig, um die Lebenszeit des Geräts voll auszunutzen. Ich wechsele meine Telefone nur dann, wenn sie keine Updates mehr erhalten oder wenn sie einen kapitalen Hardwaredefekt haben. In dieser Disziplin (also lange Produkt-Lebenszeit) empfand ich Apple gegenüber den Android Smartphone Herstellern als vorbildlich.

    2) Der Vertrauensverlust in die Politik von Apple seit deren Idee mit der CSAM-Scan aller Fotos auf den Geräten ihrer Kunden. Ich weiß, dass Apple von der Idee wieder zurückgerudert ist.

    Dennoch hat die damalige Art und Weise, wie Apple das Feature kommunizierte und in den Markt pressen wollte, mein Vertrauen in die Unternehmenspolitik nachhaltig zerstört. Die unverschlüsselte Herausgabe von theoretisch verschlüsselten iCloud Daten ihrer Kunden an US-Behörden, trotz den Bekundungen, für die Freiheit und Rechte ihrer Kunden zu kämpfen, wirken in meinen Augen auch nur wie Lippenbekenntnisse. Nach all den Jahren der Kritik versprach Apple letztes Jahr zwar die Implementierung einer souveränen Verschlüsselung der Daten ohne Zugriff durch Apple. In meinen Augen kommt das aber viel zu spät. Und wenn ich die politischen Entwicklungen und die Tendenzen contra Datenschutz in der weiten Welt anschaue, befürchte ich, es wird eher schlimmer als besser. Und das ist schade.

    Dagegen muss ich in meinem kleinen Mikrokosmos etwas tun.

    Finanziell betrachtet läuft es also auf ein Non-Apple Telefon hinaus. Hier gibt es verschiedene spannende Ansätze (z.B. reine Linuxtelefone wie das Pine Phone oder Ubuntu touch). Meiner Meinung nach brauchen diese Koinzepte aber noch Zeit um zu "reifen". Ich suche etwas lang erprobtes und verlässliches. Und hier läuft es dann auf Android hinaus.

    Mit Android bzw. den Stock ROMs kommt jedoch ein Problem, das ich als iPhone Besitzer nicht hatte: Die Datenkrake Google! Deren Apps sind so tief mit dem System verbunden, dass sie sich nicht so einfach entfernen lassen. Zum einen blähen sie das System unnötig auf, und zum anderen funken sie auch dann nach Hause, wenn ich sie gar nicht benutze. Und die eigene Bloatware der Hersteller wie Samsung und Co. kommt noch dazu. Diesen ganzen Ballast will ich erst gar nicht auf meinem Telefon haben. Deswegen werde ich zu einem Custom ROM greifen.

    Daily Driver PC: Pop!_OS 22.04 + Win 10 Dual Boot/ Intel i7-7700K / NVIDIA GeForce GTX 1070 / 32 GB RAM / 3x 1TB Samsung SSD

    Daily Driver Laptop: Framework 13 / Debian 12 / AMD Ryzen 7 7840U / 64 GB RAM / 2TB WD NVME

    Backup Laptop: HP Elitebook x360 1030 G2 / Fedora 39 / Intel i5-7200U / Intel HD 620 / 8 GB RAM / 500 GB Samsung NVMe

    Spiele PC: MX Linux + Garuda / AMD Ryzen 7 7800X3D / Radeon RX 6750 XT / 64 GB RAM / 2TB Samsung NVME + 512 GB Kingston NVME + 250 GB Samsung SSD

    6 Mal editiert, zuletzt von El Pollo Diablo (26. Oktober 2023 um 14:16)

  • Das Ziel meiner Reise

    Ein "freies" Telefon ohne oder mit so wenig "Datenkraken" wie möglich, die unter meiner vollen Kontrolle sind. Die Freiheit, die ich so sehr amLinux PC liebe, will ich auch auf dem Smartphone haben.

    Meine Ansprüche an ein Smartphone sind überschaubar. Meine Clouddienste laufen bei Nextcloud - nicht bei Apple, Google, Microsoft oder Amazon. Ich zocke nicht mobil, erstelle keinen Videocontent für Videoplattformen, benutze keine sozialen Netzwerke und schaue auch keine Kinfofilme auf dem Teil. Mit dem Smartphone habe ich bisher noch nie bezahlt. Daher ist die Bezahlfunktion für mich keine Notwendigkeit. Ich benutze das Smartphone zu 75% zur Kommunikation. 20% ist Surfen und Medienkonsum oder Hören von Musik/Podcasts/Audiobooks. Der kleine Rest sind Dinge des täglichen Lebens: z.B. Navigation im Auto oder zu Fuß, Fahrschein App im ÖPNV, Spritpreise, Fahrplanauskunft, Online Banking TAN App, Kickstarter, DHL Pakettracking, Urlaubsfotos machen und das eine oder andere kleine Helferlein.

    Ohne es besser zu wissen, rechne ich zum Zeitpunkt dieses Artikels damit, dass mir diese letzten fünf Prozent die meisten Kopfschmerzen bereiten werden, wenn ich ein entgoogletes Telefon nutzen möchte. Darauf lasse ich es aber ankommen.

    Das ultimative Ziel ist der vollständige Einsatz von quelloffenen Apps aus freien, quelloffenen App-Stores wie F-Droid oder Aptoide. Langfristig könnte das möglich sein. Doch ich bin realistisch und rechne damit, dass einige Apps meines täglichen Lebens kein Pendant zu den geschlossenen Apps haben werden und ich dann auf einen geschlossenen App-Store oder ein APK-Portal ausweichen muss. Ich sehe das aber als Teil eines holistischen Entwicklungsprozesses, der durchgemacht werden will.

    Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt. ;)

    Das Mittel der Wahl: GrapheneOS

    Das Custom ROM meiner Wahl wird GrapheneOS sein. Warum GrapheneOS?

    Ich habe in den letzten Monaten viele Artikel, Erfahrungsberichte und YouTube Videos zu verschiedenen privacy-freundlichen Custom ROMs angeschaut. Diese waren unter anderem GrapheneOS, CalyxOS, iodéOS, /e/, SailfishOS und auch wieder LineageOS, das ich ja schon auf meinen alten Smartphones installiert hatte. Sie haben alle ihre Vor- und Nachteile und fahren alle ihre eigenen Ansätze.

    Das Konzept von GrapheneOS hat mich abgeholt. Seine konsequente Ausrichtung auf Privatssphäre und Sicherheit, die Nähe zum AOSP, ein gehärtetes Android und die clevere Handhabung mit den optionalen Google-Apps (im Auslieferungszustand wird komplett auf sie verzichtet und wenn ich sie mir bewusst installieren wollen würde, kann ich mit dem ausgeklügelten App-Rechtemanagement von GrapehenOS oder einem eigenen Userprofil diese Apps wie jede andere App rigoros abdichten und nur auf die Inhalte oder Sensoren meines Telefons gewähren, die ich ihnen dediziert erlaube) lesen sich auf dem Papier gut.

    Das Versprechen der Entwickler, bis zu 5 Jahre vollautomatisierte Updates bereitzustellen (je nachdem, wie lange Google Updates für das Telefon herausgibt), rundet das Gesamtpaket ab. GrapheneOS läuft nur auf Google Pixel Geräten. Google Pixel Geräte lassen sich besonders gut entgooglen - so paradox das auch klingt. Ich habe mir deswegen das Google Pixel 7a gekauft. Dieses Gerät genügt meinen Ansprüchen voll und ganz und mit einer Rabattaktion konnte ich es für 440 Euro abgreifen.

    Soviel zur Einleitung dieser Artikelreihe. Im kommenden Artikel werde ich GrapheneOS auf dem Gerät installieren.

    Die Reise beginnt ...

    Daily Driver PC: Pop!_OS 22.04 + Win 10 Dual Boot/ Intel i7-7700K / NVIDIA GeForce GTX 1070 / 32 GB RAM / 3x 1TB Samsung SSD

    Daily Driver Laptop: Framework 13 / Debian 12 / AMD Ryzen 7 7840U / 64 GB RAM / 2TB WD NVME

    Backup Laptop: HP Elitebook x360 1030 G2 / Fedora 39 / Intel i5-7200U / Intel HD 620 / 8 GB RAM / 500 GB Samsung NVMe

    Spiele PC: MX Linux + Garuda / AMD Ryzen 7 7800X3D / Radeon RX 6750 XT / 64 GB RAM / 2TB Samsung NVME + 512 GB Kingston NVME + 250 GB Samsung SSD

    Einmal editiert, zuletzt von El Pollo Diablo (26. Mai 2023 um 20:19)

  • Ich werde es verfolgen ...

    PC | AMD Ryzen 7 3700X - NVIDIA GeForce RTX 2070 Super - 32 GB RAM - 1 TB NVME - 2 TB HDD - ArchLinux

    Lappi | Intel I3 - 16 GB RAM - 128 GB SSD - ArchLinux

    Homi | Intel Atom 3 - Intel Grafik - 4 GB RAM - 1x 128 GB SSD - 2x 4 TB Seagate IronWolf HDD im RAID - Debian 11 mit OMV 6

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    RADIO TEAM BAWÜ - Wir haben Spaß an Musik!!!

  • Habe auch Google Pixel gekauft wegen dem OS :)

    Es wird dir am Anfang schwer machen doch es lohnt sich.

    Es ist wie Jahre lang Windows und Linux danach :/

    Nur einige Dinge sind beim OS sehr schleppend zb Kamera

  • Toll, werde Deine Reise begleiten. Hab auch schon überlegt, iOS zu verlassen. Ubuntu Touch reizt mich. Mal schauen.

    * Macbook Pro 2012 Ubuntu 23.10 * Surface Pro 6 Ubuntu 22.04 * Thinkpad X220 Sparky Linux 7 / Linux Mint 21.2 / Ubuntu 23.10 * MacBookAir 2011 Kanotix Slowfire * Pixel 3a Ubuntu Touch * Thinkpad X61s mit diversen SSDs mit versch. Distros zum Testen *

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