Erfahrungsbericht: Fairphone 6 + /e/OS
-
Actionschnitzel -
September 28, 2025 at 3:52 PM -
1,510 Views -
25 Replies
Quellen: Header
Ja, Smartphones… eigentlich gibt es kein Thema was mich weniger interessiert. Mein erstes Handy hatte ich damals von meiner Mutter übernommen. Ein echter Knochen von SIEMENS. Die Dinger sind also irgendwann immer kleiner geworden und heißen mittlerweile Smartphones. Mein erstes Smartphone wurde mir von einer Ex-Freundin in 2010 aufgeschwatzt: "Ey, das Handy kostet nur einmalig 10 € und 85,00 € für den Vertrag ist ja wohl geschenkt!". Naja, seitdem nutze ich Smartphones… Das Problem ist, eigentlich eher, dass alle anderen sie mehr nutzen als ich. Mein "Gerät" hat eigentlich für 90 % des Tages einen Stammplatz, und zwar auf dem Tischchen neben dem Bett. Ich "telefoniere" nicht gern und bin recht glücklich, dass "texten" zur hauptsächlichen Kommunikationsform geworden ist. Whatsapp gibt's ja auch für Linux. Das mag paradox erscheinen, weil Smartphones ja kleine Computer sind und Computer sind nunmal mein Ding. Leider ist es mittlerweile so, dass "APPS" und 2FA ein notwendiges Übel sind, um im Leben "klar zu kommen". Ihr merkt schon, ich bin keiner dieser Menschen, deren ganzes Leben sich auf einem Handy befindet, der Knackpunkt ist aber: Was macht man, wenn man Privacy mag, Google & Apple aber nicht und dann noch was Gutes tun will?
Zeiten ändern dich!
Ich hab keine Ahnung, ob jeder irgendwann an den Punkt kommt, aber man fragt sich doch irgendwann, warum die meisten Dienste, die man nutzt, kostenlos sind oder warum ein Smartphone kostet, was es kostet. Die Antworten darauf sind:
- Ihr seid die Währung.
- Andere Menschen werden sehr schlecht bezahlt.
Ob ein jeder zu dieser Konklusion kommt, weiß ich nicht, aber mich persönlich beschäftigen diese zwei Punkte schon länger und da mein Samsung A-Irgendwas schon 7 Jahre alt war und immer weniger "responsive", war es langsam Zeit, über ein neues "Gerät" nachzudenken.
Einstellungssache
Ihr merkt schon, es hat zum einen in mir gerattert. Auf der einen Seite sind mir Smartphones total egal, auf der anderen Seite braucht man so ein "Teil", um im digitalisierten Deutschland klar zu kommen (LOL). Beim Schreiben dieses Artikels kommt mir spontan der Gedanke, ob man als 0815-Nutzer überhaupt jemals über das Fairphone stolpert. Mit dem Gedanken zu spielen, ein Fairphone zu kaufen, hat wohl mehr mit Ideologie zu tun als mit allem anderen.
Auf meine Frage hier im Forum, ob es Erfahrungen mit dem Fairphone gibt, kamen schon einige Antworten, aber auch Stimmen die da sagten, dass selbst das Fairphone 6 technisch nicht mit einem neueren Samsung mithalten könne. Die bestimmende Frage ist: Was ist dir wichtig. Ein "State of the art"-Smartphone? Privatsphäre? Nachhaltigkeit? Passt das Teil in meine Arschkippe?
Das Fairphone ist definitiv (noch) nicht massentauglich, was aber an der Masse liegt und nicht an der Tauglichkeit.
(Meine) Ansprüche
- Bedienbarkeit
- Telefonieren
- E-Mails checken/schreiben
- Gerät für Zwei-Faktor-Authentifizierung nutzen
- Meine gewohnten Apps nutzen können
- Online Banking
- Gute Akkulaufzeit
- Abund zu mal ein Foto oder Video aufnehmen
- Kein Google
Links
Alltags-Check
Seit knapp eineinhalb Monaten nutze ich jetzt das Fairphone 6 mit /e/OS und das reicht für mich um ein Fazit zu ziehen.
Telefonieren
Erst einmal ist es wirklich interessant, wie wenig ich über das Smartphone telefoniere. Ich werde einmal im Monat, wenn überhaupt, darauf angerufen. Festnetz ist immer noch das Mittel der Wahl. Nichts destotrotz kann ich sagen, dass die "Telefonier-Erfahrung" mit dem FP6 eine gute ist. HD-Anrufe sind möglich und bisher kam auch keine schlechte Verbindungsqualität vor. Klar hängt die Tonqualität auch von dem Endgerät des anderen Teilnehmers ab, aber die Lautsprecher im Fairphone leisten einen guten Job.
Meine gewohnten Apps nutzen können
Standardmäßig ist auf /e/OS die App-Lounge installiert. Was eine tolle Sache ist. Der Google-Playstore war mir schon immer ein Dorn im Auge, da man visuell einfach erschlagen wird. Man sieht einfach nur Icons, Namen und hat die Möglichkeit zu installieren. Zusätzlich werden aber auch noch Angaben zu Datensicherheit angezeigt, was für unsere "Bubble" doch sehr wichtig ist, aber dazu später mehr.
Das eigentlich Geniale an der App-Lounge ist die Implementierung von microG und die Möglichkeit, sich anonym Zugang zum Inhalt des Google-Playstores zu verschaffen. Oder einfacher: Ich bin nicht mit einem Google-Konto eingeloggt und habe aber vollen Zugriff auf den App-Katalog. Sehr cool.
Seit einigen Jahren bin ich dazu übergegangen, F-Droid verstärkt zu nutzen. Wichtigster Grund dafür ist meine Nextcloud-Anbindung. DAVx⁵ sorgt dafür, dass meine Kalender und Kontakte immer im Einklang sind. Im Play Store kostet das Tool 5,99 € und ich bin mir nicht sicher, ob überhaupt etwas davon für die Entwickler nach Abzug der Store-Gebühr, Steuern etc. pp übrig bleibt. Dann doch lieber spenden.
Wenn ich es richtig verstanden habe, geht die App-Lounge sogar eine Art Symbiose mit F-Droid ein, sodass man nicht mehr zwei separate Stores nutzen muss.
Generell kann ich über die Kompatibilität und Funktionsfähigkeit des Fairphone 6 in Bezug auf Play-Store-Apps nichts Negatives sagen. Für viele Deutsche wird das Sparkassen-Öko-System wichtig sein und hier kann ich absolut bestätigen, dass alles reibungslos funktioniert. Der Fingerabdruck-Scanner auf dem Powerbutton funktioniert reibungslos bei Apps, die eine Passwortabfrage verlangen.
Nicht so toll ist, und ich meine wirklich nicht so toll, die vorinstallierte Maps-Alternative. Auf meinem Trip zu den Kielux war das Tool komplett unpraktikabel, hat viel zu früh Richtungsänderungen angesagt und die Routen-Berechnung dauert eine gefühlte Ewigkeit. Zudem wurden mir komplett falsche Bahnverbindungen angezeigt, die den Weg von der KielUX zum Hotel in Elmshorn mit 1:45 bemaßen, wo Google-Maps korrekt 45 Min Fahrzeit ausgab. Uncool! Durch diese Situation weiß ich, dass Google-Maps anonym auf dem Fairphone 6 reibungslos funktioniert ![]()
Ab und zu mal ein Foto oder Video aufnehmen
Es mag daran liegen, dass mein altes Smartphone von 2017/18 ist, aber ich musste mich im Kameramodus erst mal zurechtfinden, da für mich Fotos meist im Urlaub relevant sind, beschäftige ich mich wenig mit Einstellungen und dem ganzen Drumherum. Voreingestellt war jedenfalls eine 3:4-Auflösung, die 4K sehr nahe kommt. Um auf 16:9 zu kommen, musste ich erst einmal die Einstellungen durchforsten. Aber ich bin hier gnädig, ich hab keine Ahnung und es ist jetzt so, wie ich es gerne hätte.
# Update 29.9.25: Die Aktualisierung auf /e/OS 3.1.1 beseitigt das folgende Problem. >>>>
Kleines/Großes/Sehr Großes Manko: Der Zoom funktioniert nicht, was wohl ein bekannter Bug ist, an dem gearbeitet wird. So war es mir nicht möglich, in den Abendstunden heranzuzoomen und voller Fassungslosigkeit das 2x2 Meter große Metall-Apple-Logo im Wohnzimmer des Nachbarn zu fotografieren. Ja, sowas macht man sowieso nicht. Aber das kann man auch über 2x2 Meter Apple-Logos im Wohnzimmer sagen oder kim88 ?
<<<<
Die Fotos sind für meine Ansprüche gut. In keinem Fall zu vergleichen mit der Brillanz des aktuellsten Galaxy meiner Frau, aber ich bin mir noch nicht so ganz sicher, ob Brillanz mittlerweile mit KI-Augmentation verwechselt wird.
Bedienbarkeit
Ich fange mal mit etwas Nervigem an. Nimmt man das Fairphone in die Hand, kann es schnell passieren, dass man ausversehen einen Screenshot macht, wenn die Finger auf Power und Leise landen. Auch das ist bekannt und wird oft bemängelt.
Für mich auch ungewohnt war, dass alle Apps auf den Seiten des Bildschirms angezeigt werden. Das Muskelgedächtnis will dann und wann immer noch, dass ich mit dem Finger nach oben wische, um ein App-Menü aufzurufen.
So sortiere ich mir die wichtigen Apps nun direkt auf die Home-Seite.
Wischt man von hier nach links, kommt man zum Dashboard, welches sich mit Widgets wie einem Kalender, dem Wetter oder der Tracker-Detektion befüllen lässt.
Das Fairphone liegt zumindest in meinem Fall gut in der Hand, ist groß aber nicht zu groß. Etwas gewöhnungsbedürftig war das kantige Gehäuse und die Höhe des Geräts. Selbst mein 2017/18er A-IRGENDWAS war dünner und sehr abgerundet. Geschmackssache. Das Lineal sagt: 0,9cm hoch, 7,2cm breit, 15,5cm lang. Am Ende ist mein Gerät sowieso in einer Mutti-Hülle gelandet (Safety First).
Privacy
Eine feine Sache ist der Tracker-Blocker. Man bekommt eine Auflistung davon, welche Apps versuchen, nach Hause zu telefonieren. Wer ein Pi-Hole sein Eigen nennt, wird sich hier schnell zurechtfinden. Schön ist auch die wöchentliche Benachrichtigungs-Statistik über Apps, die versucht haben zu "spionieren".
Die Advanced Privacy Option bietet die Möglichkeit, Tracker abzulehnen, den Standort zu verschleiern und auch die IP mittels Tor zu verwässern. Das funktioniert wirklich gut, einige Apps brauchen aber logischerweise eure echten Standortdaten, um korrekt zu funktionieren.
Akku
Hier kann ich nur rein subjektiv berichten. Das Smartphone ist nicht das Zentrum meines Lebens. Ich checke damit Mails, gucke 1-2 Videos und höre zum Einschlafen ein Hörbuch oder Hörspiel. Für mich ergibt sich daraus, dass der Akku nach 3 Tagen auf ~23 % steht.
Fazit
Das Fairphone 6 mit /e/OS ist absolut alltagstauglich, hat aber hier und da noch ein paar Unannehmlichkeiten. Kaufgrund ist hier klar Ideologie. Wer nicht an Nachhaltigkeit, fairer Produktion oder Sicherheit und Freiheit interessiert ist, für den ist dieses Gerät nichts. Schon gar nicht für den Techfetischisten (nicht böse gemeint), der das Neueste und Beste will. Anwendungen werden immer rechenintensiver, mit dem aktuellen Stand kommt das Fairphone gut klar und ich merke absolut keine Verzögerung in der Bedienung der UI.
About the Author
Ich nutze Linux seit 2003/04. Meine erste Distribution war SUSE Linux 9.0/9.1. Ab 2012 bin ich für lange Zeit bei Linux Mint geblieben.
Über die Jahre hat es sich ergeben, dass ich den Gnome-Desktop bevorzuge. Vorwiegend nutze ich Ubuntu LTS, aus pragmatischen Gründen. Läuft halt!
Ich bin sehr aktiv in der Raspberry Pi-Szene und programmiere vorwiegend in Python.
All das, was ich über Computer/Windows/Linux weiß, fußt darauf, dass ich es schon mal kaputt gemacht habe und nachlesen musste, wie ich es wieder zum Laufen bringe. ![]()
Traurig aber wahr.
Außerdem schreibe ich Artikel für das Online-Magazin GNU/Linux.ch
Replies 25